4. Juli 2019

Smart is beautiful


Die Stadt wird smart: klüger, sicherer, einfacher und in Summe lebenswerter. Das versprechen viele Ideen von eMobilität über Energieminimierung bis Security oder Service. Die technischen Ansätze reichen von richtungsweisenden Pilotprojekten über Baukastensysteme bis hin zu überraschenden Lösungen, die uns allen das Leben erleichtern. So könnte ein schlichter digitaler Schlüssel chaotische Paketzustellungen beenden. Und dennoch haben wir das Smarte in der City noch gar nicht richtig entdeckt, zeigte sich bei unserem Plenum-Workshop im Frankfurter House of Logistics and Mobility.


Testfeld smarte Städte

Alanus von Radecki, Head of Urban Governance Innovation bei Fraunhofer IAO, verweist auf die Fortschritte verschiedener Projekte. Das Triangulum-Konzept erprobt etwa richtungsweisende Szenarien in der Energie- und Verkehrssteuerung sowie im Datenmanagement. Im niederländischen Eindhoven, im norwegischen Stavanger und im britischen Manchester wird getestet, die Erfahrungen sollen später auf Leipzig, Prag und das spanische Sabadell übertragen werden. Grundlage ist ein Smart City-Framework mit einer vernetzten Informations- und Kommunikationsarchitektur.

Eindhoven stärkt Car-Sharing, inklusive Parkraumsteuerung; Straßenlaternen dienen als Backbone der Vernetzung. Sensoren liefern zugleich Messwerte, aus denen künstliche Intelligenz Auffälligkeiten ermittelt. Das Geräusch von zerbrechendem Glas oder laute aggressive Szenen lösen automatisiert Warnungen an Sicherheitsbehörden aus. Und abends signalisieren die Laternen per Lichtfarbe, ob am nächsten Morgen in der Wohnstraße Papier-, Bio- oder Restmüll entsorgt wird.

Stavanger ist ein Vorbild beim Thema Elektrofahrzeuge. Die Highspeed-ICT-Infrastrukturen bilden die Basis, um Energie- und Mobilitätslösungen konsequent zu vernetzen. Zugleich setzt die City auf medizinische Hightech-Ideen. Der »Manchester Corridor« wächst hingegen zum Smart City-Quartier für rund 72.000 Studierende. Ein autarkes »virtuelles«, vor allem effizientes Energienetz soll das gesamte Stadtquartier mit Wärme und Strom versorgen. Aus Abwärme für Kühleinrichtungen wird dabei Heizenergie.

Morgenstadt: Smart City


Digitale Park-Landschaft

Erst aus Wissen wachsen Ideen und neue Services, betont Alexander Raubal, Senior Product Manager bei Vodafone. Er skizziert ein einfaches Beispiel aus Lemgo: Parkplatzdaten werden in Echtzeit ausgewertet – von Parkdauer und Tageszeiten über bevorzugte und ungeliebte Stellflächen bis zu Leerstand und Spitzenzeiten. Das Gemisch aus Sensorik, IoT und dem passenden Algorithmus hilft Stadtplanern und Entwicklern, Bedürfnisse zu analysieren. Solche Systeme seien schlicht Blaupausen, um Handlungen in digitale Information umzuwandeln schildert der Product Manager.

Vodafone IoT Barometer 2019


Smarte Schlagloch-Finder

In Leipzig messen Müllwagen den Straßenzustand, und zwar via Smartphones, die das Start-up Vialytics in einigen Fahrzeugen installiert hat. Alle vier Meter knipst das Handy automatisch ein Bild, Bewegungssensoren ergänzen die Fotodaten. Risse, Aufbrüche und Unebenheiten oder Schlaglöcher werden penibel dokumentiert.

Die KI-Software des Stuttgarter Start-ups wertet die Daten aus und klassifiziert detailliert die Schäden. Angereichert um Geo-Informationen erhält der Kunde zweimal jährlich eine genaue Zustandskarte einschließlich Schadensverlauf, schildert Elias Bernhard, Vialytics Business Development. Dringende Reparaturen ließen sich frühzeitig erkennen, das senke die Folgekosten. Gefördert durch das Land Baden-Württemberg und das Bundesverkehrsministerium hat das junge Start-up bereits einige Kommunen von Vialytics überzeugt.

Vialytics

Edison Handelsblatt: Smarte Schlagloch-Sucher


Be innovative!

Innovationen aus Deutschland könnten die Kohlenstoffdioxid-Werte weltweit senken, vermittelt Markus Eisel, Geschäftsführer der SyroCon Consultig GmbH. Seine Analyse in Sachen eMobilität verdeutlicht die Chancen für ideenreiche Anbieter: Der Automarkt werde global wachsen, boomende Megatowns wie Lagos, Kinshasa oder Delhi benötigten dann zwangsläufig Lösungen für eMobilität – einschließlich automatisierter Ladeinfrastruktur für selbstfahrende Autos, alternativer Energieerzeuger und Netzsteuerung.

Die smarte Stadt habe Zukunft, vermittelt Eisel. Das Hochindustrieland Deutschland sei in vielen Segmenten in der Pole-Position, sagt er und nennt regenerative Formate wie Windenergie oder Anbieter wie Hubject, die den Aufbau eines Ladenetzes vorantreiben. Datenanalyse und KI bezeichnet er zugleich als technische Voraussetzung, um erfolgreich zu sein.

SyroCon Consulting GmbH


Kluger Baukasten für die smarte Stadt

Vernetzung ist das zentrale Schlüsselelement für Smart Cities, egal ob beim Metering durch Sensoren in Straßenlaternen, beim Sharing im eMobility-Bereich oder bei der Energiesteuerung. Alles muss sicher und zweckmäßig miteinander verwoben sein, schildert Ralf Gerbershagen, Managing Director bei ICE Gateway. Auf die Anforderungen hat sich das Unternehmen frühzeitig vorbereitet, ein lückenloses und teils patentiertes Vernetzungssystem entwickelt.

ICE Gateway stellt das gesamte Werkzeug: vom Einflechten der Datenquelle und der Datenübermittlung in den passenden Netzvarianten bis zur Cloud-Umgebung. Sogar eine eigens entwickelte Hardware als Andockteil für Sensoren oder Metering ist vorhanden.

ICE Gateway



Verkehrswende: B2B-Sharing

Die Stadt braucht eine Verkehrswende, sagt Michael Lindhof, Geschäftsführer der mobileeee GmbH. Er setzt auf eMobilität, Car- und Co-Sharing. Ein eFahrzeug, egal ob Auto oder Liefer-Bike, könnte morgens der Bäckerei zur Verfügung stehen, mittags Medikamente ausfahren und abends vom Pizzaservice geordert werden. Ganze Flotten ließen sich dafür intelligent verknüpfen. Die Verfügbarkeit definiere ein Ankermieter, dessen Fahrzeugflotte dann wirtschaftlich ausgelastet werden

Lindhof plädiert zugleich ausnahmslos für eine umfassende Vernetzung sämtlicher verfügbarer Verkehrsmittel, um Ressourcen zu schonen. Ein gelungenes Beispiel sei das Berliner Pilotprojekt „Jelbi“ mit der gleichnamigen App.

Mobileeee

BVG

heise.de skizziert Jelbi


Paket mit digitalem Schlüssel

Die Paketzustellung ist ein wunder Punkt beim Online-Einkauf: Viele Pakete landen beim Nachbarn, der Poststelle am Arbeitsplatz oder enden zwischengelagert auf dem Postamt. Das Hamburger Start-up Uniberry setzt nun auf den digitalen Hausschlüssel für Mietobjekte. Mittels eines persönlichen QR-Codes auf dem Paket öffnet der Bote die Haustüre, liefert problemlos bis an die Wohnungstür oder parkt die Zustellung in einer postkastenähnlichen Box hinter dem Eingang. Das digitale „Öffne dich“ gelingt nur Zugangsberechtigten, beschreibt Dr. Julian Wulf, Co-Founder und Geschäftsführer der Uniberry GmbH die Systematik.

Die Berechtigungssteuerung sei schlicht via Cloud zu managen, für den Boten etwa per Dienstausweis, erklärt Wulf. Ein solcher digitaler Schlüssel öffne neue Welten, ermögliche B2B-Lieferungen direkt ins Lager, Nachtzustellungen oder eine Parkraumkoordination.

Uniberry und der digitale KEY Cido



Optimaler Verkehrsfluss

Die Verkehrszentrale Hessen (VZH) im Frankfurter House of Logistics and Mobility (HOLM) gilt als eine der leistungsstärksten Europas: Über 16.000 Straßenkilometer werden erfasst, analysiert und zentral gesteuert, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den Verkehrsablauf zu optimieren.

Hoch belastete Autobahnabschnitte sind mit entsprechenden Steuerungsanlagen ausgestattet, etwa das Frankfurter Kreuz, das täglich rund 368.000 Fahrzeuge queren. Entlang der kamerakontrollierten Strecken signalisiert die Leitzentrale Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverbote für Lastwagen oder warnt vor Staus, Baustellen oder Unfällen. Die digitale Anlage steuert zudem Informationstafeln, die aktuelle Verkehrsstörungen und Ausweichrouten anzeigen. Die Autobahn wird smart.

Smarte Verkehrszentrale