Mobility soll individueller und massentauglicher Service bleiben, trotzdem schneller, sicherer und vor allem klimafreundlicher werden. Und bitte: ein solch tiefgreifende Wandel soll uns zugleich eine lebens-, liebenswerte Town bescheren. Der öffentliche Raum wird dabei neu definiert.
Doch wohin steuert der Verkehr der Zukunft? Bislang gibt es keine klaren Antworten, lediglich Trends: alles wird durch Vernetzung und Automatisierung bedarfsgerechter, egal ob Sharing-Ansätze, e-Antrieb von Scooter bis Lastwagen oder gar die Autozukunft an sich. Daten sind der Treibstoff. Wir haben im Workshop genauer hingeschaut, ob und wo Potenziale für neue Geschäftsmodelle entstehen.
Autofreie Stadt-Oase?
Der Architekt und Designer Oliver Bertram hat Straßenzüge der Wiener Innenstadt autofrei skizziert – als erlebbare VR-Version. Es ist ein radikaler Entwurf, da rund 20 Prozent der Stadt zusätzlich zur grünen Erlebnisfläche werden, wenn Baumreihen parkende Blechschlangen ersetzen.
Eine schmale Einbahnstraße teilen sich Lieferanten, Infrastrukturverkehr wie Müllabfuhr, Rettungs- oder Ordnungsdienste. Bus und Rad haben eine eigene Trasse, Haltestellen wachsen zu offenen Erlebniszonen, aus Parkhäusern werden Retail-Zentren. All das hat Bertram mit seinen Kollegen der Agentur Wideshot in eine bestehende Stadtlandschaft integriert.
Die Agentur ist 2018 mit dem German Design Award ausgezeichnet worden. Sie kreiert Ideen für Automobilkonzerne und Flug-Fahr-Zeuge für Science Fiction Filme.
Zukunft: Eine Stadt ohne Autos
Mobility mit Charakter
Es gibt keine Blaupause für eine Mobility der Zukunft, sagt Barbara Flügge. Sie hat Verkehrsströme und -bedarf analysiert, ihr Fazit ist ernüchternd: Keineswegs lassen sich Berliner Modelle auf die Finanzstadt Frankfurt übertragen, die Mobility-Ausprägungen einer Wohlfühlmetropole wie München passen nicht in eine Hafenstadt wie Hamburg. Zu unterschiedlich seien die individuellen Bedürfnisse der Bewohner. Vor allen Entscheidungen sei eine sozio-ökologische und sozio-ökonomische Analyse nötig, um von Kunden akzeptierte und wirtschaftlich sinnvolle Mobility-Strukturen zu gestalten, rät sie.
Dr. Flügge hat über zwei Jahrzehnte lang Erfahrungen bei wegweisenden Unternehmen der IT-Branche gesammelt. Die Schweizerin ist Erfolgsautorin und Gründerin der „digital value creators“.
Caring für Sharing-Ökonomie
Der Sharing-Gedanke klinge als Mobilitätsversprechen einfach, bedürfe aber eines enormen Bedarfsmanagements und sei daher in den aktuellen Angeboten unwirtschaftlich, vermittelt Dr. Alfred Brendel, Head of Smart Mobility Research Group (SMRG) der Universität Göttingen. Wer Car- oder Ride-Varianten etablieren wolle, müsse das passende Gefährt kundenfreundlich an Erwartungsorten bereithalten. In Paris bringen daher Spezial-Transporte nachts die tagsüber genutzten Fahrräder an die Sammelstationen neben U-Bahnausgängen zurück, bei vielen Carsharing-Anbietern wird der Fahrzeugpool ebenfalls immer wieder neu verteilt. Das erzeuge Kosten und unnötigen Verkehr, resümiert Brendel.
Statt Strukturen wie Bus, Bahn und Taxi im Wettbewerb zu verdrängen, sollten Sharing-Anbieter durch ein geschicktes Tarifsystem ihre Öko- und Businessbilanz deutlich verbessern: Eine Fahrt zum attraktiven Wartepunkt müsse schlicht billiger sein, als jene zur eigenen Haustür.
Autofreie Stadt? Machbar, Beispiel Göttingen
Zukunft eStruktur
Dem eCar gehört die Zukunft, die Ladeinfrastruktur wird zum heißbegehrten Objekt: Die Steckdose als Zapfhahn braucht einen Stromlieferanten, passende Hardware für verschiedene Automodelle, Software fürs netzfreundliche Lastmanagement, Service im Störfall, inklusive Wartung und einer Service-Hotline sowie ein Abrechnungssystem. All das erfordert Planung, System und Handling. Das Münchener Start-up eeMobility entwickelt den passenden Rundum-Service: Das System integriert Abrechnungsszenarien, und zwar für unterwegs per App oder mit fixem Service an der Ladesäule in der unternehmenseigenen Tiefgarage und Zuhause.
Der norwegische Energiegigant Statkraft hat investiert, eeMobility rechnet sich bereits für Unternehmen wie Siemens, R+V oder den Arbeiter-Samariter-Bund. 45.541 Ladepunkte seien im System eingebunden, so die eeMobility-Macher.
Energiekonzern sichert sich Münchener Start-up
Start-up Sessions: neues Business
Hubject
Im Gerangel um die Ladesäule einer kommenden eMobility bietet das Start-Up Hubject eine internationale B2B eRoaming-Plattform für Dienstleistungen rund um das Laden von Elektrofahrzeugen. Nahezu 300 Partner auf drei Kontinenten mit insgesamt 90.000 Ladepunkten sind angeschlossen. Ziel sei es, ein digitales und flächendeckendes Intercharge-Netzwerk zu errichten. Die Plattform ist gedacht für Ladestationsbetreiber, Fahrstromanbieter, Energieversorger, Flottenbetreiber, Carsharing-Unternehmen, Servicekartenanbieter und Automobilhersteller.
German Autolabs
German Autolabs hatten wir im Plenum bereits zu Gast: Das Berliner Start-up nutzt KI, um einen digitalen Beifahrer zu entwickeln, der nicht nur sprachgesteuerter Service-Assistent ist, sondern auch die Verkehrssituation in der Fahrerkommunikation vorausschauend berücksichtigt. Da die Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie langwierig sind, setzt das Start-up auf die Zwischenlösung „Chris“ zum Nachrüsten – und sammelt darüber das Know-how für eine Plattform. Eine Sieben-Millionen-Euro Investition sichert dem German Autolab die nächsten Entwicklungsschritte.
Getaway
45 Millionen PKW stehen täglich durchschnittlich 23 Stunden still – es liegt nahe, daraus eine Sharing-Idee zu entwickeln. Das Berliner Start-up Getaway entwickelt ein entsprechendes System, um aus privaten PKW ein Leihsystem aufzubauen. Dazu wird ins private Auto ein erprobtes, intelligentes Telematik-Kit installiert: Es übermittelt die nötigen Fahrdaten. Von jedem Leihkilometer erhält der Fahrzeuginhaber einen Erlösanteil, Getway eine Vermittlungsprovision. Und natürlich sind eine eigene Haftpflicht, Vollkasko, Teilkasko, Schutzbrief und Gap-Versicherung eingeschlossen.
Virtueller Aufprallschutz
Ein Cyber-Angriff auf den Autopiloten des Teslas wäre das Ende des Unternehmens, schätzt CEO Elon Musk – entsprechend groß ist der Schutzbedarf von elektronisch hochgerüsteten Mobilitätslösungen. Denn mit zunehmendem Konnektivitätsgrad und steigender Anzahl von Schnittstellen im Fahrzeug nimmt die Wahrscheinlichkeit von Hackerangriffen zu.
Yoram Berholtz von Argus Cyber Security macht vier wesentliche Szenarien aus, vor denen Fahrzeuge bewahrt werden müssen – von kleineren Vorfällen bis zur tatsächlichen Gefährdung von Leib und Leben. Denkbar sind ein falscher Alarm oder fehlerhafte Tankfüllanzeigen, Diebstahl und Lauschangriffe sowie die Verwendung persönlicher Bewegungsdaten und Eingriffe ins autonome Fahren. Vorbeugung, ein tieferes Verständnis für die Gefahren und wirksame Reaktionen auf mögliche Angriffe sind somit ein wachsender Markt.
Continental protects components and production against hacker attacks
eMobility: nur ein Traum?
Für Jörg Wellnitz sind eCars nicht der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit. Lediglich 16 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxidausstoßes verantworte der Autoverkehr, Massentierhaltung und landwirtschaftliche Monostruktur seien schädlicher. Allein 15 der weltweit 330 großen Containerschiffe produzierten so viel Schadstoffe wie 750 Millionen Autos.
Die Umweltbelastung durch die Produktion einer Tesla-Batterie entspreche einer achtjährigen Laufzeit eines Verbrennungsmotors, so Wellnitz, die Story einer „Zero-Emission“ sei schlicht falsch. Und nach acht Jahren im Ladezyklus habe der Akku nur noch Schrottwert.
Zudem sei die Rohstofffrage unbeantwortet: VW habe errechnet, dass der Konzern für seine Produktion von E-Autos rund 130.000 Tonnen Kobalt benötigen würde. Die Weltproduktion liege hingegen derzeit bei 123.000 Tonnen. Die meisten Schürfrechte und das Verarbeitungs-know-how lägen in China, verdeutlicht Wellnitz. Sein Fazit: Kleine Dieselfahrzeuge oder der Wasserstoffmotor haben Zukunft.
Premium mit System: ePorsche
Glanzvolle Marken sind schlicht Ausdruck eigener Mobilität. Unbestritten gilt das für Porsche. Der Autobauer setzt auf den Aufbau einer E-Flotte, das Einstiegsmodell „Taycan“ soll in einigen Monaten marktreif sein. Porsche ist Premium, das spiegelt sich im Mobility Service wider, im Konzept des Porsche Charging, so Randi Bauer, Product Owner des Charging Service.
Technologischer Hintergrund ist eine cloud-basierte (AWS) Plattform erklärt Markus Eisel von SyroCon Consulting, dem Entwicklungspartner für den Charging Service. Durch die Anbindung von mehreren eRoaming Plattformen, darunter Hubject, können rund 75.000 Ladestationen von 160 Betreibern genutzt werden, in Kürze sogar in den USA. Der EV-Besitzer kann dann über eine App die Stationen in einer Karte lokalisieren, Ladevorgänge steuern und die gesamte Abrechnung abwickeln.