16. September 2016

Gigabit Society: Sind wir data?

Wir wachsen zur Gigabit Society, zu einer Datengesellschaft. Die psychologischen Marktforscher Thomas Ebenfeld und Dr. Klaus Schulte, Researcher bei concept m, beobachten den Einfluss der Datenwelten auf uns, die Konsumenten – mit spannenden Einsichten, die sie dem Vodafone Enterprise Plenum erläutern.


Was ist eine Gigabitgesellschaft?

Ebenfeld: Vielleicht hilft uns in der Definition der Blick auf die unterschiedlichen Generationen: Mit Blick auf Datennutzung entstammt ein Großteil der heute erwachsenen Generation den so genannten ‚Digital Immigrants’, einer Pioniergesellschaft. Digital Immigrants haben ihre Nutzung aktiv entdeckt, erobert, mit den verschiedenen Innovationen experimentiert. Sie kennen die alte Wählscheibe, das Münztelefon und haben das erste Mobiltelefon genutzt. Sie haben noch Briefe auf Papier geschrieben, in Bibliotheken gestöbert, bevor sie den Wandel zur digitalen Welt, zur Mail oder zum Infochannel Internet, vollzogen haben. Die Identität dieser Generation ist von Werten geprägt, die sich abseits des Digitalen, der virtuellen Vernetzung entwickelt haben. Sie schätzt die Vorteile der Digitalisierung und weiß um die Stärken des ‚analogen Lebens’.


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Das Wisch-und-Weiter-Phone ist wie ein Körperteil des smarten Weltzugriffs geworden.

Dr. Klaus Schulte, concept m


Schulte: Hingegen ist die Generation einer Gigabitgesellschaft von Kind auf mit einer digitalen Nabelschnur aufgewachsen. Das Wisch-und-Weiter-Phone ist wie ein Körperteil des smarten Weltzugriffs geworden. Sie hat eine umfassendere digitale Identität im Vergleich zur älteren Generation. Sie agiert digital und teilt ihr Privatleben via soziale Netzwerke. Dadurch entstehen virtuelle „Prägungen“ und Lebensformen neben der realen Identität. Diese beiden „Prägungen” fordern den User zu unterschiedlichen Selbstbehandlungsformen heraus. Daraus wachsen aber riesige Potentiale und beide Generationen müssen zugleich mit den Verkehrungen der Gigabitgesellschaft zu Rande zu kommen.


Wie wirkt sich das aus?

Schulte: Das Leben in der omnipräsenten Datenwelt prägt einen natürlich. Das sieht man an der aktuellen Konsumentengeneration an der Schwelle zum Erwachsenenalter: Sie ist einerseits in einem regelrechten Digitalrausch, verhält sich dabei zunehmend als Medien-, Marken- und Konsum-Profi. Sie hat Zugriff auf die unterschiedlichsten Informationsquellen und bewegt sich virtuos durch den Strudel sich wandelnder Angebote. Veränderungen, Neuerungen und Herausforderungen sind ihr Alltag.

Ebenfeld: Wer bereits in einer solchen Gigabitgesellschaft heranwächst, im „always on“, kann eine besondere Kompetenz im Umgang mit der Digitalisierung entwickeln. Diese Generation hat beispielsweise ein völlig anderes Verhältnis zur Preisgabe sensibler Daten oder einer Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit. Sie entwirft schlicht neue Lösungen. Ihr Urprinzip der Stabilität entwickelt sich daher in zwei unterschiedliche Richtungen: Einerseits kann die Anbindung an die analoge Welt schwinden, andererseits können neue Kompetenzen und damit eine neue Stabilität wachsen.


An vielen Stellen lässt sich bereits eine „Zurück zu analog“-Tendenz beobachten, ein „Digital Detox“, also quasi Heilfasten vom Smartphone.

Thomas Ebenfeld, concept m


Was sind die Konsequenzen daraus?

Schulte: Letztlich muss sich jeder die Frage stellen, wie und in welchen Bereichen er datenverwachsen ein will. Die aktive Entscheidung sehen wir sogar bei den Jüngeren, etwa in Gegentrends: An vielen Stellen lässt sich bereits eine „Zurück zu analog“-Tendenz beobachten, ein „Digital Detox“, also quasi Heilfasten vom Smartphone. Auch die Rückkehr des Vinyls oder die Begeisterung bei Jüngeren für analoge Werke, wie Kochen, Backen und Heimwerken, sind Gegentrends.

Ebenfeld: Wie sich am Ende digitales und analoges Dasein ausbalancieren, ist aber nicht nur eine Frage der quantitativen Gewichtung, sondern vor allem eine Frage der konkreten kulturellen Formen, die dabei entstehen. Dies ist ein wichtiges Forschungsfeld für uns als Markt- und Kultur-Forschungs-Institut. Wir sehen Ansätze, dass die nach dem Jahr 2000 geborenen, also jene GenZ ohne vor-digitale Ära, Formen zeigt, sich vom digitalen Work-Overload souveräner abzugrenzen.“

 

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