28. Februar 2019

Ich sehe, was Du sagst!


Stefan Verra ist medial gefragt, ob “Süddeutsche Zeitung”, “Die Welt” oder verschiedene TV-Sender. Er analysiert anschaulich Politgrößen, erklärt nonverbale Signale, zeigt Erfolgsmuster oder Unsicherheiten. Wir haben ihn passend zu unserem Workshop in Sachen Körpersprache zu  Grundsätzen der Body-Language befragt.


Körpersprache ist Kommunikation?

Verra: Körpersprache ist ein Prozess der Evolution. Anfangs galt es, Gefahren oder Unangenehmes wegzustoßen und Ressourcen wie Nahrung zu greifen. Daher sind unsere heutigen Gesten im Grunde alle durch solche Hol- und Abstoßbewegungen geprägt. Körpersprache ist ein Teil unserer Entwicklungsgeschichte.

Demnach kann man Körpersprache gar nicht „erlernen“?

Verra: Doch, aber nur teilweise. Der größte Teil unserer Körpersprache ist uns angeboren – man nennt das üblicherweise Temperament. Allerdings gibt es auch einiges, das wir uns angewöhnen und abschauen, von unseren Eltern, Freunden und Menschen, die uns nahestehen. Aber im Alltag ist weniger die Gefahr, dass wir nicht dazu lernen würden, sondern vielmehr, dass wir uns zu viel Ausdrucksvielfalt in Mimik und Gestik abgewöhnen. Oft, weil wir Angst haben, sonst nicht „ernstgenommen“ zu werden oder uns gar zu blamieren.

Dabei laufen wir Gefahr, unseren starken persönlichen Körperausdruck zu verlieren. Das ist für Führungskräfte bedenklich, denn dann schwinden ausdrucksstarke natürliche Alphaqualitäten. In meiner Arbeit gebe ich den Menschen einfach das zurück, was sie am besten können: Ihr eigenes Temperament ungekünstelt auszuleben, denn das hat die höchste Glaubwürdigkeit.

Was bewirkt Körpersprache?

Verra: Wir glauben meist, dass unsere Worte genauso ankommen, wie wir sie formulieren. Doch Worte gehen immer durch den Filter der Körpersprache. Das kennt jeder: Ganz gleich, ob Sie mit einem Arzt oder einem Automechaniker sprechen: Immer sagt Ihnen ihr Bauchgefühl, ob Sie seiner Kenntnis, seinem Wissen vertrauen können. Für dieses Bauchgefühl ist die Körpersprache entscheidend: Wer als kompetent wahrgenommen werden will, muss eindeutig Sicherheit signalisieren.

Und wie signalisiert man Sicherheit?

Verra: Zuallererst muss man sichtbar sein, indem man sich so groß stellt, wie man geschaffen wurde. Eine geduckte Körperhaltung nimmt Sicherheit. Zugleich sollten drei wichtige Körperteile sichtbar sein: Augen, Mund und Hände. Über sie gewinnt der andere viele Informationen. Darüber schätzt er uns ein und das gibt Sicherheit und Vertrauen. Sind Augen Mund oder Hände versteckt, bleibt Skepsis.

Sie kennen sicherlich das unangenehme Gefühl, wenn Sie mit jemandem sprechen, der eine Sonnenbrille trägt. Der Ursprung all dessen liegt im sensomotorischen Cortex, dem Teil im Gehirn, der für die Bewegungen und das Fühlen entscheidend ist.

Oftmals ist die Rede vom guten ersten Eindruck. Gibt es diesen?

Verra: Ja, den gibt es und auf den sollten wir alle achten. Egal ob Bewerbungsgespräch, Kundengespräch oder Präsentation: Achten Sie im ersten Moment auf Sympathie. Das Stammhirn des Menschen entscheidet bei jeder Begegnung blitzschnell, ob es mit dem Gegenüber zu tun haben möchte oder ihn schnell wieder los werden will. Wer im ersten Moment zu stark auf Kompetenz und „ernstgenommen werden“ setzt, wirkt oft überheblich. Das gilt übrigens im Berufs- und Privatleben.

Lächeln, eine lockere, also asymmetrische Körperhaltung mit etwas Bewegung wirken zugänglicher als die allzu aufrechte Haltung eines preußischen Soldaten mit ernster Mimik. Stabilität sollten Sie auf die wenigen Momente reduzieren, bei denen es um einen wirklich entscheidenden Punkt geht. Denn auch das gilt: Wer zu früh mit seiner Körpersprache klugscheißt, wird abgelehnt.

Körpersprache ist Kommunikation, vielleicht sogar Manipulation?

Verra: Aber ja! Kennt man die Körpersignale, wird die unterschwellige Botschaft sichtbar. In unserer visuellen Welt gewinnt die nonverbale Kommunikation an Bedeutung. Auf ihrer Basis entscheiden wir, wen wir als Freund oder als Partner erachten, ja sogar wen wir an der Spitze unserer Regierungen sehen wollen. Um das zu untermauern, habe ich exemplarisch sieben Weltpolitiker analysiert. Es sind eindeutige Signale, mit denen sich Putin durchsetzt, Trump Leute anstachelt oder Merkel Stabilität vermittelt. Die Körpersprache des chinesischen Staatschefs Xi Jinping vermittelt eindrucksvoll, wie man eine Gruppe für sich gewinnt. Und Sebastian Kurz übermittelt trotz seiner Jugend überzeugend klare Haltung.

Es gelingt jeder Politgröße über Körpersprache Menschen für sich zu begeistern oder zu verführen. Und manchmal wird auch klar, womit sie uns abstoßen. Ich sage immer: Ein Narr, wer sich da nicht ein paar Dinge abschaut. All das habe ich anschaulich illustriert in meinem aktuellen Buch „Leithammel sind auch nur Menschen. Die Körpersprache der Mächtigen“.

Stefan Verras Buch: “Leithammel sind auch nur Menschen. Die Körpersprache der Mächtigen.”, erscheint Mitte März im Buchhandel.