„Innovate or Die“, zitiert der Gründer Alexander Graf den Vordenker Peter Drucker. Die Behauptung scheint bittere Wahrheit zu werden, denn die digitale Welt beschleunigt erneut ihre Entwicklung, so das Resümee bei unserem Plenum Jahresauftakt mit Fireside Chat und Start-up Day.
Den rasanten Umbruch bemerken sowohl junge Kreative als auch etablierte Gründer, Investoren und Experten, die sich bereits seit Jahren erfolgreich im Digitalgewerbe behaupten. Wer zögert, verliert – so die einhellige Botschaft.
Im digitalen Universum
Philipp Westermeyer ist ein digital Native. Mit der OMR, einem zweitägigen „Festival für das digitale Universum“, eilt er jährlich zu neuen Besucherrekorden. „Online Marketing Rockstars“ gilt mit einem Mix aus Musik, Konferenz, Ausstellung, Workshops und Auftritten namhafter Stars der Digitalszene als „Love-Brand“. Alles drehe sich um das Lenken von digitaler Aufmerksamkeit, um digitale Wertigkeit, vermittelt der Enddreißiger beim Fireside Chat.
Mit seinem OMR-Podcast adressiert er wöchentlich rund 50.000 Hörer, bespielt die OMR-Community online mit interessantem Inhalten aus der Digitalwelt, initialisiert Studien und gilt mittlerweile als erfolgreichster Podcast-Vermarkter Deutschlands. Zur nächsten OMR plant Westermeyer entgegen dem Trend einen Print-Titel namens „Philipp“.
Der Hamburger setzt mit seinem Team konsequent auf Trial and Error. Gemeinsam mit Springer-Vorstand Dr. Mathias Döpfner startete Westermeyer jüngst einen Offline-Talk. Zum Auftakt kamen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Grünen-Politiker Cem Özdemir, Palantir-Gründer Alex Karp und Sonja Jost, Gründerin von DexLeChem. Und selbst das betrachtet Westermeyer schlicht als eine Chance mit offenem Ausgang – Trial and Error.
Rare Business-Perlen
„Man muss viele Frösche küssen, um auf einen Prinzen zu stoßen“, beschrieb Arthur Frey, Erfinder der Haftnotiz von 3M, einst seinen Innovationsprozess. Uwe Horstmann, Founding Partner Project A, überträgt dies treffend auf die Gründerszene: Um 20 oder 30 erfolgreiche Start-ups zu finden, müsse man über zwei, drei Jahre hinweg 15.000 Ideen sichten, verdeutlicht er. Jede echte Businessperle sei dabei hart umkämpft, schildert er.
Neben einer zündenden Idee fordert Project A von Gründern eine „Intellectual Humbleness“, also eine hohe Lernfähigkeit, den Mut für schnelle Entscheidungen und eine Trial-and-Error-Mentalität. Nur damit könne aus einer Idee ein nachhaltiges Business wachsen.
Erntefrisch aus der City-Farm
“Infarm” erzeugt Nahrungsmittel dort, wo die meisten Menschen leben: in der Stadt. Intelligente, vertikale Farmen versteht das Start-up als Gegenmodell zur flächenintensiven Agrarindustrie und konventionellen Landwirtschaft. „Die Stadt soll sich selbst ernähren“, sagt Daniel Kats, Director Corporate Sales.
Infarm produziert Kräuter, Salate und Minigemüse in eigens entwickelten digitalen „Container“-Farmen. Bis zu 50.000 Datenpunkte begleiten das Pflanzenwachstum. Der Algorithmus optimiert dabei Licht und Luftfeuchtigkeit, steuert den Nährstoffbedarf. Erntefrisch geht es von der modularen Aufzuchtstation in die Verkaufsbox im Supermarkt. 30.000 m2 eigene Anbaufläche zählt Infarm in Berlin, deutschlandweit sind über 100 Lebensmittelmärkte Partner.
Durchblick dank VR und KI
“WeAre“ erweitert Meetings um virtuelles Anschauungsmaterial. Die Gründer koppeln dazu Videokonferenzen via Virtual Reality mit 3D-Ansichten aus CAD-Daten. Die Abbildungen komplexer Werkstücke schweben wahlweise als Gesamtansicht, Explosionszeichnungen oder als Detailausschnitt im virtuellen Konferenzraum. Diese Ergänzung ermöglicht es Teams, komplexe Details „anschaulich“ zu diskutieren. Zielgruppen sind für CEO Max Noelle Automotive und Maschinenbauunternehmen. WeAre ist übrigens eine Ausgründung aus dem Innogy Innovation Hub. Und: Max Noelle bittet den Mittelstand zum Test. Sehr sympathisch.
Das oft geschilderte Big-Data-Gold ist ohne konkrete Analysen wertlos. Folgerichtig setzt das Berliner Start-up “Inspirient“ auf Automated Analytics, um Anomalien via KI-Algorithmen sichtbar zu machen. Die qualifizierte Interpretation wird durch automatisch generierte vereinfachte PowerPoint-Slides erleichtert. Ob Unregelmäßigkeiten im Spesenmanagement oder Auffälligkeiten beim Geldtransfer zwischen Banken – jede Abweichung wird erfasst.
Hier sind Sie sicher!
Aleksandar Stojanovic kam die Idee zum Sicherheitssystem “AVA“ auf dem SXSW-Festival in Austin, als er knapp einem Unfall entkam. AVA’s Mission: Einzelpersonen, Organisationen und Gesellschaften in die Lage zu versetzen, auf Basis klarer Informationen sicherheitsrelevante Entscheidungen zu treffen. AVA errechnet dazu via KI aus unterschiedlichen Datenquellen einen eindeutigen Standortsicherheits- und Risikowert.
Die britische Polizei nutzt die Software als schnelles Warnsystem. Weicht etwa der Atmosphärenpegel eines Bahnhofes vom seinem herkömmlichen Lärmmuster ab, gilt das als Gefahrenindiz. Mit zeitgleicher Prüfung weiterer Hinweise aus Social-Media-Daten, Polizeifunkcodes und anderen Quellen lässt sich die Sicherheitssituation über AVA qualifizieren. Auf Dauer soll via AVA ein umfassender lokaler Risikoindex entstehen, so die Gründeridee. Bei der Hotelsuche oder Immobilienkauf – die Riskobewertung könnte dann AVA liefern.
Digitale (R)Evolution
Reiseservice kosteneffizient und trotzdem mit Full-Service digital vereinfachen: Das Start-up “Travelperk” sei im Hinblick auf etabliertes Reisemanagement eine Evolution, schildert Eugen Triebelhorn, Country Manager DACH Travelperk. Vermittelt werden daher nicht nur eigene Vertragspartner aus der Reise- und Hotelbranche, sondern konsequent der günstigste Anbieter im Markt. Support und Concierge-Service gibt es kostenfrei. 3.000 Unternehmen, darunter Airbus, Google oder Uber, betreut Travelperk aktuell, Tendenz: rasant wachsend.
Chris ist der sprachgesteuerte digitale Beifahrer von “German Autolabs”. Das knapp 300 Euro teure Gerät navigiert im Duett mit dem Handy, spielt Musik und ist kommunikativ. Chris ist für CEO Holger Weiss jedoch nur eine Übergangslösung für den Gebrauchtwagenmarkt. Chris biete vor allem eine Lernchance, um bei der Entwicklung von digitalen Autoassistenten Vorreiter zu werden. Ziel sei ein System, das nur dann den Fahrer anspricht, wenn es die Verkehrssituation gestattet. Dafür entwickelt das Start-up eine passende Plattform.
Innovate or Die!
„Viele Unternehmer haben die Chance der Digitalisierung verpasst!“ Alexander Graf ist gnadenlos in seiner Analyse: Nur wer heute Milliarden Euro auf seiner eCommerce Plattform umsetze, gelte als unangreifbare Größe. Hingegen sei das nötige Wissen über den Kunden in der Vielfalt der digitalen Zugangswege aktuell kaum mehr zu erlangen, argumentiert er. Mittlerweile sei es unmöglich geworden alle Zugangswege, von mobile bis Sprachassistent, zu unterscheiden und jeden Vorgang klar einem Kunden und dessen Verhalten zuzuordnen.
Alexander Graf ist eCommerce- und Digitalexperte. Er hat den digitalen Wandel innerhalb der Otto-Group begleitet und das digitale Geschäftsmodelle erfolgreich aufgebaut. Sein Start-up “Spryker Systems“ bietet einen digitalen eCommerce-Baukasten, um ohne Reibungsverluste online zu agieren. Dazu sind von CMS bis IOT die Softwareelemente aufeinander abgestimmt. Das Handelsblatt hat Spryker jüngst als „next SAP“ bezeichnet.
Im Steigflug
Die Vision von “Volocopter”: Das erste Drohnen-Taxi „Made in Germany“ zu entwickeln, und zwar in Bruchsal, Baden-Württemberg. Seinen ersten Jungfernflug absolvierte der Volocopter 2017 in Dubai-City. Das Bundesamt für Flugsicherheit prüfe aktuell das leistungsstarke Fluggerät mit seinen 18 Rotoren, zwei Motoren und neun Batterien, so Fabien Nestmann.
Sicher, leise, emissionsarm und schnell sollen die Fahrgäste in Zukunft vom Flughafen in die Stadt schweben. Langfristig würde aus vielen Kurzstrecken ein kostengünstiges Nahverkehrsnetz wachsen, so die Gründerversion. Die Idee begeistert. Nun hat sich der Flughafen Frankfurt zur Kooperation entschlossen. Das Konzept rückt aus der Ideenphase ein Stück weiter in die Realität.
FAZ: Rhein-Main-Airport kooperiert mit Volocopter
Crvsh me
Um Disruptionspotenzial für das eigene Unternehmen zu erkennen, kann man auch selbst ein Start-up ins Rennen schicken. “Crvsh” ist eine Gründung von Vodafone, ein digitales Lab, um neue Lösungen zu finden.
Der Bruch zwischen der gewachsenen Kultur des Konzerns und der quirligen Start-up-Welt ermögliche ungewöhnliche Ansätze, schildert Geschäftsführer Joss Zimmermann. Folgerichtig agiert Crvsh abseits der Düsseldorfer Konzernwelt als eigenständiges und agil aufgebautes Unternehmen in Berlin.
Crash: Das neuen Vodafone Software Lab
Alibaba unterstützt Konux
Kreativ, effizient, spart Geld und Reisenden Wartezeiten: vorausblickende Wartung im Gleisbett… Das Start-up Konux hatten wir bei unserem IOT-Workshop im vergangenen Herbst zu Gast. Sie errinnern sich: Predictive Analytics hilft bei der Weichenwartung. Das Start-up schilderte seinerzeit das dafür nötige Technik-Knowhow, die harten, Auflagen im Bahnverkehr, die Zähigkeit, die es braucht Bahnkonzerne zu überzeugen.
Von all dem hat sich Alibaba überzeugen lassen und beteiligt sich mit 13 Millionen US-Dollar. So viel zu erkannten Chancen und chinesischen Investoren…
Wirtschaftswoche: Konux – Alibaba steigt zu