12. Februar 2018

Neuvermessung der Welt

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Die Start-Up-Szene ist gereift – was gestern lediglich Idee war, ist heute Anwendung, häufig sogar marktreif. Beispiel Coolar: die Wortkreation aus kühl und sonnig steht für einen umweltfreundlichen, stromlosen Kühlschrank, der über Verdunstungsenergie kühlt und keine Betriebskosten verursacht. Und Coolar ist nicht die einzige Innovation, die Besucher und Experten bei unserem diesjähriger Start-Up-Day beeindruckt hat.


DSC_0023 KopieDie digitale Evolution ist im Alltag angekommen, bestätigt Trendforscher Mathias Haas. Von der vernetzten Gabel, die das Essverhalten analysiert, bis zur automatisierten Minikamera, die per Algorithmus Reisebilder sortiert, finden neue Produkte und Ideen abseits des Mainstreams ihren Weg in den Markt. Das Wissen um die Vielfalt der digitalen Ideenlandschaft ist Voraussetzung, um aus dem Reichtum der Ideen eigene Anregungen zu gewinnen.

Trendbeobachter


3-Wort-Koordinaten: Wo bist Du?

Drei Worte genügen für die Neuvermessung der Welt: Das britische Start-up what3words hat die Erde in insgesamt 57 Billionen je neun Quadratmetern große Felder eingeteilt – und jedes mit einer eigenen Drei-Wort-Kombination verzeichnet. Global lässt sich so jeder Punkt genauestens lokalisieren. Damit ist es möglich, eine Pizza zum Picknick im Central Park zu bestellen oder Pakete in unstrukturierte Regionen auszuliefern, erklärt CMO Giles Rhys Jones. In der Mongolei hat eine what3words-Adresse bereits offiziellen Status.

What3words soll gleichermaßen Rettungskräften, Lieferdiensten oder Navigationsservices dienen. Die Innovation überzeugt: 600 verschiedene Anwendungen nutzen das Whitelabel-Konzept – Tendenz steigend.

what3words


Zukunft hacken

DSC_0241 KopieDaten sind auch für Daimler der Treibstoff der Zukunft. Konsequent pflegt der Konzern den Schulterschluss mit den Entwicklern von morgen, wie etwa beim Wettbewerb Hack.Berlin. Begleitet von Mentoren der Daimlersparten moovel, FleetBoard, Daimler Buses und Logistics sowie Professoren des Einstein Center Digital Future (ECDF) entwickelten und programmierten Studenten binnen 24 Stunden digitale Lösungen.

Markus Hägele, Head of DigitalLife@Daimler, setzt auf den kreativen Austausch und die Ergebnisse geben ihm recht. Das Berliner Team CityBuzzer entwarf im Hackathon mal so eben ein Konzept, um aus sozialen Netzwerken zu analysieren, wo und wann Menschen mobile Fahrdienste benötigen.

Daimler: Digitallife-Campus


Mehr Wohnen

Wozu ein Auto, wenn es Car-Sharing gibt? Wozu in teuren Städten eine normale Wohnung suchen, wenn es Cabin Spacey gibt? Die vollmobilen Arbeitsnomaden der Zukunft brauchen ein Zuhause, zumindest auf Zeit. Für sie hat das Architektenduo Simon Becker und Andreas Rauch vergleichsweise günstige, durchgestylte und schnell zu errichtende Mini-Häuser entwickelt, die Platz für alles bieten, was man im Leben braucht. Sie passen auf ungenutzte Dachflächen und sie sind so flexibel wie ihre Bewohner. Ein Prototyp wird in Kürze in Lissabon errichtet. „Wir haben ein Wohnraum-Sharing ähnlich dem Car-Segment entwickelt“, beschreibt Simon Becker die Idee.

CabinSpacey


Blick aufs Konto

Bislang haben nur Inhaber und Geldinstitute Zugriff auf Kontodaten. Eine zentrale Guthabenabfrage von Konten bei unterschiedlichen Banken in einer einzigen App ist schlicht nicht möglich. Doch eine neue EU-Richtlinie beendet das Monopol. Davon profitiert das Fin-Tech-Start-up figo, gegründet von Christoph Scheuermann und Marc Pierre Robert. figo gestaltet die Schnittstellen, um neue Services anzubieten, etwa ein Kreditsystem von User zu User, einschließlich beidseitigem Bonitätscheck.

Mit seinem Knowhow ist figo in einer Schlüsselposition, beschränkt sich jedoch auf die Rolle als technischer Dienstleister. Die aktuelle Kundenliste ist lang. Auch die Deutsche Bank ist schon Partner.

figo

FinTech-Chance: EU Transparenzverordnung


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Militär meets Cyber Innovation

Bis zu 80 Prozent der militärisch relevanten Neuentwicklungen finden heute im digitalen Bereich statt, schätzt – laut Spiegel – das Verteidigungsministerium. Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIH) gilt folgerichtig als strategisches Projekt: Künstliche Intelligenz kann riesige Datenmengen nach unentdeckten Viren absuchen und Blockchain-Technologie manipulationssichere Logistik ermöglichen, erklärt Nicolas Heyer.

Heyer wirkt dabei wie der Antityp eines Soldaten, doch das täuscht: Tatsächlich ist der ehemalige Hubschrauberpilot Hauptmann der Reserve. Die Uniform ist unerheblich, wenn er im Staatsauftrag innovative Technologien in der internationalen Start-up-Szene eruiert, entwickelt und validiert.
Sein Ziel: die Start-up-Geschwindigkeit und die zughörige Innovationskraft direkt in die Bundewehr zu tragen. Hilfreich ist dabei seine Erfahrung: Sein vorheriger Auftraggeber war der Tech-Gigant Google.

Cyber Innovation Hub

Info: Der Spiegel über Cyber und Militär


Künstlich Intelligenter Kundenservice

Fehlende Lieferung, Tarifabfragen – solche Standardanfragen verursachen im Servicebereich enorme Ausgaben. Damit sich MItarbeiter auf die wirklich schwierigen Fälle konzentrieren können, übernehmen künftig Bots solche Standardfragen.

Das ist die Idee von Parlamind. Bots sammeln für Parlamind Informationen aus dem Kundendialog, die Künstliche Intelligenz reduziert auf Fakten, Anliegen und Stimmung. Binnen Sekunden kann das System antworten. Parlamind trifft einen Trend im Kundendialog, so Mitgründer Christian Wolf, und es beeindruckt mit einer extrem kurzen Einarbeitung.

Das 2015 gegründete Start-up nutzt dazu neueste Forschungsergebnisse aus der Computerlinguistik und dem Feld des maschinellen Lernens. Partner ist der gleichnamige Fachbereich der Universität Potsdam sowie das German Tech Entrepreneurship Center, Berlin.

Parlamind


Switch me up

DSC_0274 KopieMobilfunk, Strom, Gas, Zeitungsabos, Versicherungen, wer behält in der Vielfalt den Überblick über Tarife, Optionen und Konditionen? Das Problem löst Switch-Up: Überlässt man dem Anbieter seine Vertragsdaten, kontrolliert er Kündigungsfristen, vergleicht Alternativen und stellt automatisch auf die günstigste Variante um. Noch beschränkt sich das Modell auf den Energiemarkt. Und: Das Geschäftsmodell fußt auf Vertrauen: Switch-Up finanziert sich ausschließlich aus Wechselprovisionen.

Switch-Up-Gründer Arik Meyer gilt in der Startup-Szene übrigens als Erfolgsfounder: gemunkelte 300 Millionen Dollar zahlte ihm Amazon für seine 2004 gegründete Download-Plattform audible.de.

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Zur Sache: Arik Meyer


Cool, cooler, Coolar

Ein Kühlschrank ohne Strom – ja, das funktioniert, und zwar via Absorption. Die Kälte entsteht beim Verdunsten von Wasser über Sonneneinstrahlung. Vor vier Jahren gelang Julia Römer ein Prototyp in Minibarformat. Nach weiteren zwei Versuchsjahren fasst ihr Coolar 180 Liter und wird in der Klimakammer des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Potsdam dauergetestet.

Als erste Kundengruppe sieht Coolar-Mitgründer Christoph Göller Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, die an Orten ohne Infrastruktur Medikamente kühlen müssen. Der aktuelle Prototyp ist derzeit im Härtetest – bei einer Außentemperatur von 47 Grad müssen Kühltemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt konstant gehalten werden. „Eine coole Zukunft“, attestierte das Plenum den Erfindern.

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Wissen wird Macht

Information und Kooperation prägen die digitale Welt. Quora und Slack gestalten damit ihre Geschäftsmodelle.

Quora, 2009 in den USA vom ersten Facebook-CTO Adam D’Angelo gegründet, präsentiert sich als Wissensplattform mit besonderer Klasse: Jede Frage trifft auf einen Experten. In den USA glänzt die Plattform mit Fachleuten und Prominenten, darunter Ex-Präsident Barack Obama oder AOL-Gründer Steve Case. Das Konzept ist erfolgreich: Rund 200 Millionen Menschen weltweit nutzen Quora bereits. Seit Juli 2017 ist die deutschsprachige Ausgabe am Start.

Slack hingegen ist Kommunikation pur. Der Messagingservice ersetzt in vielen Unternehmen bereits E-Mail und Co. Es ist ein typisches Werkzeug für Kollaboration: Externe können in Team- oder Themen-Boards eingeladen werden, Applikationen wie Salesforce lassen sich andocken. Das System weckte schon Begehrlichkeiten bei Microsoft und gilt heute als milliardenschwerer Wurf von Stewart Butterfield. Dessen erstes Erfolgsprojekt war übrigens Flickr.

Quora

Slack


Kreative brauchen eine Stimme

DSC_0095 KopieDie Start-up-Szene ist jung und braucht Unterstützung. Sei es in Form von Förderung oder in der Zusammenarbeit mit Bildungsinstituten. Deshalb ist eine gemeinsame Stimme wichtig, erklärt Mirco Dragowski, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutsche Startups. 650 Mitglieder zählt der Verband. Deutsche Founder beweisen seit Jahren ihre Leistungsfähigkeit. Doch nach wie vor mangelt es Gründern am Zugang zu Wagniskapital. Das staatliche Engagement sollte daher auf eine Milliarde pro Jahr verdoppelt werden, fordert der Verband. „Das wäre ein echter Schritt nach vorne für die deutsche Start-up-Wirtschaft.“

Bundesverband Deutsche Start-Ups

Mirco Dragowski


Frauenpower

Das Vodafone Institut hat mit “F-LANE” europaweit den ersten Accelerator mit Schwerpunkt auf Start-up von oder für Frauen initiiert. Ziel ist es, die Beteiligung von Frauen an der technologischen Entwicklung zu steigern und mithilfe von Technologie die Situation von Mädchen und Frauen zu verbessern.

In Kooperation mit dem Impact Hub Berlin und der Social Entrepreneurship Akademie suchte F-LANE weltweit bereits in zwei Runden nach Tech-Start-ups mit passender Ausrichtung. Nun startet in Berlin vom 16. März bis zum 4. Mai die dritte Auswahlrunde.

f-lane