3. November 2017

Smarte Town ist Zukunft

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Der Lebensraum Stadt muss smart werden, veranschaulicht Alanus von Radecki, Forscher am Fraunhofer IAO. Er liefert Belegzahlen: Weltweit lebt jeder zweite Mensch in einer Stadt, in Europa sogar 75 Prozent. Diese Dichte hat ihren Preis, 80 Prozent aller Emissionen entstehen in Städten. Würden global alle Länder wie die Industrienation Deutschland wirtschaften, bräuchten wir 2,6 Erden.

Mit der richtigen Technologie lassen sich hingegen Ressourcen und Verbrauch entkoppeln. Ob Wasseraufbereitung, Urban Farming, intelligente Verkehrs- oder Energiesysteme: Smarte Lösungen sind vielfältig, so das Fazit des Vodafone Enterprise Workshops „Smart Cities – Zukunft oder Buzzword?“ 

WWF-LivingPlanetReport


Die kreative Stadt hat Zukunft

IMG_6500 KopieDas Kreativpotenzial für die Smart City sei gewaltig. Der Gewinn liege in neuen Bürgerservices einerseits, vor allem aber in der Reduzierung von Emissionen und Schonung von Ressourcen. Der „Ecological Footprint“ verdeutliche dies: Die Industrienation Deutschland benötigt pro Kopf 5,3 globale Hektar (gha), global liege er bei 1,8 gha. Die Smart City sei ein Muss, bilanziert von Radecki.

In vielen Städten böten Industriedächer genügend Fläche und Potenzial für Urban Farming. Ziel sei es Stadtbewohner lokal zu versorgen. Das kanadische Start-Up Lufa Farms basiert auf dieser Idee. Und würde man im urbanen Raum Brauch-, Ab- und Regenwasser trennen, entstünden kostengünstige Nutzvarianten, ertüftelt das im Nordschwarzwald ansässige Start-Up DEUS 21. Wasser ist weltweit ein knappes Gut.

Und natürlich können Häuser mit entsprechender Technik Energielieferanten werden, ist intelligente Verkehrssteuerung machbar, läßt sich eMobility umsetzen. Im schweizerischen Lausanne setzt man auf elektrifizierte autonome Kleinbusse statt selbstfahrender Individualmotorisierung. Das entlastet den Verkehr. Und das macht Schule: Tests laufen in Berlin, München oder seit kurzem auch in einer niederbayerischen Kleinstadt.

DSC_0416 KopieSolche Ansätze wachsen aus der Kombination von innovativem Denken, Datenressourcen und Vernetzung. Auch Amazons Order-Button an der Waschmaschine passt ins Bild: Aus der Bestellhistorie vieler Kunden ließe sich ein Tagesbedarf an Lieferungen in lokalen Zwischenlagern vorhalten. Beim Predictive Shipping wird das Zwischenlager per Lastwagenlieferung bestückt, die individuelle Lieferung bringt der Paketdienst am Bestelltag, bei kurzem Lieferweg vielleicht via Bestellroboter. Hermes testet schon in Hamburg.
Doch all das braucht Echtzeitdaten, Sensoren und Big Data Analytics. Sie sind das Fundament smarter Städte, IoT der Baustoff der Smart City. Die Architekten der Stadt der Zukunft gestalten digital. Die Macher und ihre Ideen vereint das Fraunhofer Institut in der „Morgenstadt-Initiative“, einer Plattform für
Innovationspartnerschaften.

Morgenstadt-Initiative
Lufa Farms
DEUS 21


Leuchtendes Beispiel Straßenlaterne

DSC_0458 KopieDatenressourcen sind eine verläßliche Basis, um Städte zu entwicklen, weiß das Urban Institute (UI). Es vernetzt städtische Strukturen, reichert diese um weitere Datenpunkte an und generiert daraus Verkehrssteuerung in Darmstadt, intelligente Strassenbeleuchtung in Köln oder ein energieneutrales Quartier in Innsbruck. In Wiesloch erfassen intelligente Straßenlaternen Lärm, Temperatur, Kohlenmonoxide und -dioxide, Stickstoffdioxide, Ozone, Kohlenwasserstoffe, Sauerstoff und Feinstaub. Und in Bad Hersfeld messen die Bewohner über ihr Smartphone den aktuellen Lärmpegel . Aus den Werten entsteht ein Belastungskataster für die Stadtplanung. Und Bürgerservice: Online zeigt das „UI-Cockpit“ in Echtzeit Lärm-, Feinstaubwerte und Parkplatzkapazitäten.

Wären die Laternen mit Bewegungssensoren ausgestattet, ließe sich sogar die Lichtkraft nach der Umgebungsbewegung steuern und der Parkraum unter der Laterne kontrollieren. Genau das hat UI in Australien realisiert, schildert Fernando Lyardet Entwicklungsleiter bei UI. Der Parkplatzlotse per App minimiert den Parkraum-Suchverkehr und in den Nachtstunden wird die Stadt energiefreundlich beleuchtet.

UrbanCockpit Bad Hersfeld
the urban institute


Mensch, das ist einfach!

Bei aller Technik, im Lebensraum Stadt steht der Mensch im Mittelpunkt. CGI Niederlande hat eine Lösung entwickelt, die auf Gamification basiert: „The best driver“. Daten aus dem Motorraum werden mit einer Smartphone-App verknüpf, um eine vorausschauende und vor allem sparsame Fahrweise zu messen. Erste Ergebnisse belegen, dass im Wettbewerb der Fahrer der Kraftstoffverbrauch um fünf Prozent sinkt. Die Idee gefällt, Unternehmen mit großen Flotten und Städte mit einem hohen LKW-Verkehr seien bereits an der Lösung interessiert, so Ward Koopmans.

Auch Maastricht setzt auf eine intelligente Verkehrssteuerung, um die Rushhour-Belastung zu minimieren. Gemeinsam mit der Kommune hat CGI eine App entwickelt, die zeigt wie man im Mix aus Auto, Bahn oder Rad am schnellsten in die Innenstadt gelangt. Echtzeit Verkehrsdaten spiegeln die Möglichkeiten und den Zeitaufwand, so Koopmans. Es sind Services, die den Bürgern Mobilität erleichtern, und das reduziere die Umweltbelastung.

CGI
Video (NL): BestDriver-app


Smart City Frankfurt Airport

DSC_0395 KopieDer Flughafen Frankfurt ist längst smart: Ich buche online und das Ticket ist Schlüssel durch alle Kontrollzonen bis zum Sitz im Flieger. Doch das sei Notwenigkeit, tatsächlich stehe das Wohlbefinden des Gastes im Zentrum, erklärt Fraport CIO Dr. Roland Krieg. Gefühlt müsse Wartezeit zum Komforterlebnis werden.

Die Fraport AG setzt auf persönliches Serviceerlebnis – sogar online, so Heinz-Dieter Hufnagel. Die FRA App zeigt nicht nur Reisedaten, Abflug-, Ankunftszeiten, Gate und Co., sie vermittelt auch den passenden Parkplatz für den kurzen Weg zum Flieger, ist Navigator, bietet Entertainment und Shopping. Und FRAnky, der eigene Facebook-Messenger-Bot, beantwortet Fragen flugs im sozialen Netzwerk.

IMG_1599 KopieDie Zukunft heiße jedoch Plattform. Es werde möglich sein, Person und Ticket per biometrischem Fingerabdruck zu verknüpfen, dem Fluggast sprichwörtlich den Koffer schon an der Haustür abzunehmen, vielleicht per autonomem Fahrzeug an den Flieger zu fahren, schildert Hufnagel. Der Airport wird zum smarten Teil einer smarten Umwelt.

Fraport AG
Video: FRAnky– der Facebook Messenger Bot


Big Data: Pfeiler der Smart City

Daten, Daten, Daten: Sie sind eindeutig die Pfeiler einer intelligenten Stadt. Und das braucht eine vielschichtige Infrastruktur, bestätigt Marie-Louise Bruch von Vodafone. Die Basis einer modernen, intelligenten Infrastruktur bilden sowohl 4G und zukünftige 5G-Netze, Glasfaser und IoT-Lösungen, oft im datenreduzierten Narrowband-Format. Sinken mit intelligenter Infrastruktur Aufwand und Kosten, lohnen sich auch „sprechende“ Mülleimer, die melden, ob sie geleert werden müssen.

DSC_0442 KopieDabei sei die Qualität der Daten entscheidend, davon ist der Kartendienst „HERE“ überzeugt. Ein Kernmerkmal wachsender Städte sei der Ausbau in die Höhe. Orte müssen demnach dreidimensional abgebildet werden, nur dann verstünden Algorithmen & Co., ob das Ziel das Geschäft im Erdgeschoss oder ein Dachcafé ist. Mit diesem Wissen könnten Lieferanten Zustellungen zeitgenau planen und steuern, erläutert Georg Held.

IoT Future Lab
HERE Technologies


Safety first!

Dreidimensionales Denken führt Dedrone zur Sicherheit im Luftraum. Drohnen bieten viele neue Services, können aber ebenso zum Spion, Schmuggler oder Angreifer werden. Aus dem Gefahrenpotenzial der kleinen Alleskönner hat sich ein Geschäftsmodell entwickelt.

DSC_0453 KopieDas Start-Up mit deutschen Wurzeln setzt auf die Überwachung, installiert über Gebäuden oder Anlagen Schutzschilde, die jede Drohne erfassen, erklärt Sebastian Blum. In Kassel entstand einst die Idee für das junge Start-Up, das in den USA zum Erfolgsmodell wird. Kunden sind ehrwürdige Einrichtungen, darunter das World Economic Forum in Davos oder das Citi Field, das Stadion der New York Mets. Bessere Referenzen gibt es nicht und das beflügelt auch Investoren.

Dedrone


Lebensraum Smart City

Längst ist „smart“ städtische Zukunft, zeigt der Workshop. Doch wie läßt sich gesellschaftlicher Nutzen, etwa Schadstoffminimierung durch Verkehrssteuerung, ummünzen? Eine smart City braucht dafür gesellschaftliche Akzeptanz, denn die Stadt ist vor allem Lebensraum vieler Menschen, so ein Fazit der Workshopteilnehmer. Und das ist eine gewaltige Aufgabe.

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